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Von der Bundeszerredungsrepublik, Krisenbürokratie und Malle als Schlüssel

14. März 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Mein ehemaliger Kollege Gunter Dueck hat sich zum Thema Verimpfung geäußert und ich kann ihm nur zustimmen. Bürokratie, fehlender Pragmatismus führen zu absurdem Vorgehen. Darüber, wie ich um „meine“ FFP2-Masken bei der Krankenversicherung musste, habe ich berichtet – um dann zwei Gutscheine von der Bundesdruckerei zu erhalten. All das hat wenig mit Krisenmanagement und schnellem Handeln zu tun.

Die Erfahrungen, beim Versuch, einen Impftermin online anzumelden, waren ähnlich. Mal musste Stadt und Ortsteil online eingegeben werden, mal nicht, mal auch noch der Geburtsname meiner Mutter als Zusatzname. Oder ich wohne halt nicht mehr in Darmstadt, sondern nur noch in Eberstadt, obwohl es anders auf dem Pass steht. Es stimmt halt:

Wir sind keinesfalls kostenbewusst und überhaupt nicht pragmatisch, und absolut nicht zupackend pragmatisch, und schon gar nicht selbstverantwortlich ethisch. Die Bürokratie bei den Impfterminen und aller sonstige Irrsinn verzögert das Impfen wahrscheinlich so sehr, dass es mehr Tote und Wirtschaftsschäden gibt, als wenn man einfach pragmatisch losimpft, …

DD379: Staat machen mit Corona – Omnisophie

Gunter Dueck schreibt von schnellem, pragmatischen Handeln, von gesundem Menschenverstand. Und hier ist noch gar nicht von Digitalisierung die Rede, von der Möglichkeit schneller, schlanker, vor allem bürgerfreundlicher zu agieren, die Rede.

Die Bürokratie ist leider allenthalben, bei der Vergabe von Impfterminen, aber auch im Verwaltungsalltag, den wir als Bürger:innen oft erleiden. Gerade liegt wieder ein per Briefpost zugestelltes Schreiben vor mir, ein Passbild zu schicken, um einen Ausweis zu verlängern. Das Amt war nicht in der Lage, meine E-Mail per E-Mail zu beantworten und hat sich sogar verbeten, das ich gar nachfrage. Immerhin darf ich das Passbild jetzt per E-Mail schicken, in einem definierten Format. Genau das hatte ich in meiner ursprünglichen, ersten E-Mail am 11. Februar angeboten. Aber sind ja nur 4 Wochen. Was rege ich mich nur auf. Immerhin habe ich jetzt schon einmal diese Antwort bekommen:

Immerhin: Eine nochmalige Übersendung per Post oder Fax ist nicht erforderlich …

Das war vor einigen Wochen noch nicht der Fall. Da kam gar nichts.

Ja, natürlich sind gerade wir, die in den sozialen Medien unterwegs sind, die bloggen, quasi Bundesjogis. Genau wie beim Fußball glauben wir auch beim Thema Digitalisierung, schnellere, unbürokratischere Abläufe und Entscheidungen es besser zu wissen. Doch, lieber Jörg Schieb, es geht nicht nur um Politik-Bashing. Es geht auch um berechtigte Kritik und wie Du schreibst, haben es uns andere Länder vorgemacht. Sie sind schneller, pragmatischer, digitaler und stehen deshalb beispielsweise beim Impfen besser da. Und ja, wir dürfen nicht alles zerreden, sondern müssen auch einfach mal anpacken: „Einfach auch mal machen. Lernen. Vorankommen. Besser werden.“ Thomas Holl schreibt zu Recht in der FAZ von deutscher Krisenbürokratie, die dem Virus seit Monaten hinterher läuft:

Schnelligkeit schlägt Perfektion, lautet eine der wichtigsten Lehren im Kampf gegen Corona. Damit tut sich Deutschland immer noch schwer.

Kommentar zu dritter Corona-Welle: Das Virus ist rasanter als die Politik

Da scheint auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der schon vor Corona als Digitalisierer und Beschleuniger des Gesundheitswesens angetreten war, unterdessen überfordert und hinterher zu laufen. Es entsteht der Eindruck, als ob wir Deutschen es einfach nicht (mehr) können (wollen), das schnell anpacken und umsetzen. Durch die Pandemie und das schlechte Krisenanagement werden jahrelange Versäumnisse deutlich.

Die Diskussion um die Luca-App ist ein Beispiel dafür: Losgelöst davon, wie gut die Datensicherheit in dieser App ist und ob alternative Apps besser sind, hätte man schon im Herbst vergangenen Jahres eine Entscheidung vorbereiten oder gar treffen können. Schon damals wurde das Thema Erfassung der Kontaktdaten über QR Code in Restaurants oder anderen öffentlichen Räumen wie Universitäten diskutiert – und eben kein Plan entwickelt, keine Entscheidung getroffen, die man jetzt aus der Schublade holen könnte.

Auch, wenn eine neue App einiges besser machen sollte: Sie trifft am Ende noch immer auf ein zutiefst analoges Land. Sie trifft auf Gesundheitsämter, die immer noch immer Faxe verschicken. …

Eine neue Corona-App wird auch nicht alle Probleme lösen. Die Digitalisierung des Gesundheitssystems wäre ein Schritt. Aber bis dahin ist diese Pandemie vorbei.

Eine neue Corona-App wird auch nicht alle Probleme lösen › Digitalistan

Und beim Thema Datenschutz und Überwachung möchte ich Jörg Schieb noch einmal explizit zustimmen:

Stichwort Überwachung: Die Verwendung der Daten lässt sich durch gesetzliche gesetzliche Regelungen lösen. … Und überhaupt davon ausgehen: Nur wenn ich zustimme, ist es eine gute oder überhaupt legitime Lösung.

Digitalisierung: Bundeszerredungsrepublik Deutschland › Digitalistan

Explizite Zustimmung, das meine Daten benutzt werden dürfen, genaue, verständliche Erklärung. wer meine Daten wofür nutzt. So wird es bei der Datenspende-App des RKI gemacht. So sollte es generell immer gehandhabt werden.

Zurück zu Gunter Dueck, der so schön zum Abschluss seines lesenswerten Beitrags schreibt :

Sagte vor längerer Zeit jemand: „Wenn man nur geimpft nach Malle kann, spuren sie alle.“ Letztlich sind wir dann doch pragmatisch, … Malle ist der Schlüssel.

DD379: Staat machen mit Corona – Omnisophie

Und Mallorca ist ja jetzt kein Krisengebiet mehr, wie allenthalben berichtet wird. Malle ist der Schlüssel, Osterurlaub am Mittelmeer, liebe Sabine, lieber Henning (die beiden haben dort ein Häuschen …). Dann kann es ja los gehen. In Deutschland könnten die Hotels dann noch zu sein.

(Stefan Pfeiffer)

„Folterinstrumente der alten Unternehmenswelt abschaffen. Sie haben in modernen, agilen Umgebungen nichts mehr verloren“ – Marc Frey

29. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Gut gebrüllt, Löwe, äh Marc Frey:

Alle reden über Teamarbeit. Allerdings müssen wir dann auch die Leistung von Teams messen, wenn wir die Arbeit in Teams wollen. Aber eigentlich machen fast alle Unternehmen etwas anderes: Sie messen Einzelleistung. Das ist Unsinn. Das Team ist in einem Unternehmen die kleinste Einheit der Wertschöpfung. In einem heutigen Unternehmen kann ein Einzelner gar keine Wertschöpfung mehr erbringen. Er ist zwingend auf den Leistungsbeitrag des Teams angewiesen.

Wenn sie möchten, dass Dinge in Ihrem Unternehmen anders werden, dann müssen Sie die Dinge anders tun, als sie es bislang getan haben. Sie erhalten sonst immer wieder die gleichen unerwünschten Ergebnisse. Manches muss daher auch auf den Müll: Mitarbeiterbewertungen, Stellenbeschreibungen, strategische Planung, Assessment Center, Organigramme, Bonussysteme, Budgetierung, Forecasts und etliches andere mehr. Dies alles sind Folterinstrumente der alten Unternehmenswelt. Sie haben in modernen, agilen Umgebungen nichts mehr verloren.

über Der Arbeit letztes Gefecht – Simplify Innovators – Medium

Ich schaue links und rechts, lese Beiträge, lausche Vortragenden aus mittelständischen oder größeren Unternehmen, die mit Inbrunst über die digitale Transformation und die Notwendigkeit agiler Organisationen sprechen und schreiben. Die Notwendigkeit des selbständig handelnden und denkenden Mitarbeiter, von Vertrauenskultur und Vertrauensarbeitszeit, von familien- und mitarbeiterfreundlichem Home Office, mobiles Arbeiten wird postuliert.

Doch noch lange sind wir nicht dort angekommen, denn die Nomenklatur in Organisationen lebt genau von den Dingen, dem Müll, den Marc aufzählt. Sätze wie „Das ist eine Management-Entscheidung“ sind eher an der Tagesordnung als der vertrauensvolle Dialog und Kommunikation. Wer diese Bürokratien und Hierarchien sowie die damit verbundenen Prozesse nicht wirklich konsequent abbaut, dessen Versuche der Transformation werden scheitern. Da verkommen Konzepte wie agile Teams, die schnell, effizient und selbstbestimmt handeln, zu unglaubwürdigem Berater-Blabla.

pressure-65336_1920Unterschätzen wir die verkrusteten Strukturen, das Beharrungsvermögen und die Angst um die eigene Position in der Hierarchie nicht. Der klassische Middle Manager hat nur gelernt, hierarchisch zu führen. Command-and-Control sind bekannt und eingeübt, oft in Fleisch und Blut übergegangen. Man muss nicht überzeugen und kommunizieren. Stattdessen wird exekutiert. Mitarbeiter funktionieren. Gerade auch das Middle Management, das natürlich seinen Posten und seine Privilegien behalten will. „Man“ erfreut sich am nicht widersprechenden Mitarbeiter. Querdenker sind Querulanten.

Worüber haben wir eben noch gesprochen? Selbständig denkende Mitarbeiter, Kreativität, Teamwork, offene und transparente Diskussion, flache teamorientierte Hierarchien, Notwendigkeit zum Change Management, um mittelfristig zu überleben. Auf der einen Seite durchaus gute oder gut gemeinten Pläne, Firmen für das digitale Zeitalter fit zu machen, auf der anderen Seite das Controletti-Unternehmen. Die Personalabteilung sucht die besten, kreativsten Talente, doch andererseits sollen Mitarbeiter einfach funktionieren. Wie passt das zusammen? Kann das überhaupt zusammen passen?

Ich bin der festen Überzeugung, dass die bürokratische Verschlankung eines Unternehmens mit seiner digitalen Transformation Hand in Hand gehen muss. Das erfordert aber ein Management mit Mut, das bereit ist Kontrolle abzugeben und das sich vor allem auch gegen die Nomenklatur durchsetzt und diese abbaut. Nur Unternehmen mit flachen Hierarchien, mit einer Diskussions-, Vertrauens- und Innovationskultur werden im digitalen Zeitalter überleben, wo sich Dinge ständig im Fluss befinden. Doch unterschätzen wir nicht die Widerstands- und Beharrungskräfte der Nomenklatura, die sich mit allen verfügbaren „alten“ Rezepten zu überleben sucht. Es ist ein ganz dickes Brett, das gebohrt werden muss.

(Stefan Pfeiffer)

P.S. Mein Kommentar basiert auf einem Beitrag von 2015 über Digitale Transformation, das Middle Management und der Traum vom selbständig handelnden Mitarbeiter – StefanPfeiffer.Blog